Dieser Aufsatz wird wahrscheinlich morgen von mir auf meinem blog trans-humanismus.net veröffentlicht. für anmerkungen bin ich dankbar.
edit: habe den aufsatz schonmal öffentlich gemacht. wenn keine anmerkungen kommen werde ich ihn in ca 4 Stunden Posten.
Negative Auswirkungen der freien Marktwirtschaft auf den Fortschritt
Der italienische Philosoph Diego Fusaro ist ein zeitgenössischer Philosph, der sich Gedanken zur neofeudalen Finanzaristokratie macht ( https://www.heise.de/tp/features/Ein-ganzes-System-des-Schwindels-und-Betrugs-3770468.html )
Der Kapitalismus wandele sich vom Industrie- zum Finanzkapitalismus, wie inzwischen immer mehr Intellektuelle erkennen, die sich auch nur ein bisschen mit der aktuellen politischen Situation auseinandersetzen. Dabei komme es zu dem bereits erwähnten Neofeudalismus, dessen Kapital nicht mehr durch Industrien, sondern durch einen Finanzmarkt generiert wird. Dies führe zu einer Umverteilung des Vermögens von unten nach oben.
Wie auch anderen Beobachtern fällt Diego Fusaro auf, dass es im Kapitalismus gar nicht um Innovationen gehe, sondern darum sich Innovationen möglichst umfassend patentieren zu lassen um dann eine Art Rente (im Sinne eines regelmäßigen Einkommens, für das keine weitere Leistung mehr erbracht werden muß) aus der Vermarktung der Innovationen ziehen zu können, am Besten durch monopolähnliche Marktpräsenz.
Wenn der Kapitalist also kein profitables Produkt aus einer Innovation machen kann, so ist sie für ihn uninteressant. Ein Kapitalist wäre also in diesem Sinne nicht Willens, den Wert der Wissenschaft an sich anzuerkennen, wenn sie sich nicht direkt in Profit übersetzen lässt. Ob sich so die höhere Mathematik oder die theoretische Physik überhaupt entwickelt hätten, darf bezweifelt werden und auch, ob ein ausgebildeter Betriebswirt eine Vorstellung hat, was Wissenschaft überhaupt bedeutet.
Herr Flassbeck, der ehemalige wirtschaftliche Berater von Lafontaine unterzieht seine wirtschaftswissenschaftlichen Kollegen einer harschen Kritik (
https://www.heise.de/tp/features/Wie-viele-deutsche-Oekonomen-irren-3771400.html ), hält sie gar für unwissenschaftlich.Es ist also nicht einleuchtend, warum man den Forschritt ausgerechnet der Wirtschaft oder einzelnen Firmen überlassen möchte, wenn man beispielsweise Universitäten immer stärker an die Interessen von Unternehmen bindet, wie es zum Beispiel durch die Bologna-Reform umfassend getan wurde.
Es gibt meines Erachtens 2 Formen des Fortschritts die für den Kapitalismus überhaupt wesentlich sind:
Zum einen die immer wirtschaftlichere Fertigung eines Produkts (1) und zum anderen die Erschließung neuer Märkte (2).
(1) Für ersteres benötigt es nicht unbedingt Automatisierung oder eine Verbesserung des Produkts. Es reicht aus, weniger Löhne zu zahlen und zu hoffen, dass die Politik nicht gegensteuert bzw. sogar aktiv mithilft, Arbeitnehmerrechte abzubauen. Wozu automatisieren, wenn Praktikanten sogar umsonst arbeiten (müssen)? Bei einem Quasi-Monopol bietet es sich sogar an die Produkte immer schlechter zu machen, damit sie früher kaputt gehen und der Kunde sie reparieren oder neu-kaufen muss. Beispiele findet jeder, der eine Suchmaschine bedienen kann.
Wen man bedenkt wie schwer es ist, in Großstädten selbst mit einem Vollzeitjob überhaupt eine Wohnung zu finden, so muss leider denen, die von einem “freiwilligen” Praktikum oder Arbeit sprechen, entweder Bösartigkeit oder Ignoranz unterstellt werden. Beides sollte in der Politik nichts zu suchen haben.
(2) Um neue Märkte zu erschließen braucht es nicht unbedingt eine Innovation. Genausogut lassen sich Dinge künstlich verknappen.
Eine Innovation wie das Smartphone deckt soviel Konsummöglichkeiten ab, dass nicht mehr viel Raum bleibt, in den ein weiteres Produkt passen würde. Zwar kann man jede Menge Ideen haben, aber wenn diese leider an den Bedürfnissen des Konsumenten vorbeigehen bleibt der Profit aus, wie bei der dot.com Blase. Und so ist auch die Anzahl der vom Konsumenten benutzbaren Apps limitiert.
Ich behaupte also, dass es gar nicht so viele Bedürfnisse gibt, wie der Kapitalismus bräuchte um immer weiter wachsen zu können.
Da der Kapitalismus den Konsum benötigt, müsste er ihn folgerichtig erzwingen, falls der freiwillige Konsum an natürliche Grenzen stößt. Das heißt, Dinge dir vorher umsonst waren, werden kostenpflichtig. In der politischen Praxis sieht das dann so aus, dass staatliche Dienstleistungen privatisiert werden, was fast immer zum Nachteil des Bürgers geschieht, oder indem man zum Beispiel zusätzliche Gebühren einführt (wie die GEZ oder Studiengebühren) und so aus dem Bürger einen Zwangsverbraucher macht.
Ein gutes Beispiel ist der Wasserkonzen Veolia (http://www.sueddeutsche.de/wissen/privatisierung-von-wasser-undurchsichtige-vertraege-hohe-preise-mangelnde-kontrolle-1.1669213 ; https://www.youtube.com/watch?v=omF6BEkg5f8 ) dem Kritiker vorwerfen mit unlauteren Mitteln mehrere staatliche Wasseranlagen aufgekauft zu haben, dann die Preis-Leistungsqualität des Trinkwassers verschlechtert zu haben, damit das vom Konzern als Mineralwasser angebotene Wasser konkurrenzfähig wird.
Ein weiteres Beispiel ist die schleppende Bekämpfung von wirschaftlich unprofitablen Krankheiten wie Ebola, die solange niemanden interessierte, bis sie zu einer Gefahr für die 1. Welt wurde.
free marcet magic?
Wenn ein Mann wie Bill Gates von einem Garagentüftler innerhalb von 30 Jahren zum reichsten Mann der Welt aufsteigt, so kann das unmöglich seine eigene Leistung ein. Der freie Markt kann also auch nur sehr eingeschränkt die Leistungen eines Teilnehmers durch die monetäre Vergütung wiederspiegeln.
Die für einen solchen Profit notwendigen Patente erschweren die weitere Forschung in diesen Bereich. Hätte Windows einen offenen Quellcode, hätten wir heute vermutlich ein deutlich besseres System.
Die Fokussierung der Forschung auf ein profitables Produkt führt also zu zielgerichteter Forschung, die nicht zwingend wissenschaftliche Standards zu beachten braucht, denn nur die Resultate (also das gewonnene Geld) haben hier Gewicht. Grundlagenforschung und anderes nicht direkt kapitalisierbares Wissen ist für Firmen primär unintressant, dass heißt der freie Markt wird nie einen Teilchenbeschleuniger wie den CERN bauen oder eine echte Universität betreiben können. Man könnte auch sagen, die Unternehmen ziehen relativ einseitig Profit aus der staatlich betriebenen Ausbildung.
Weiterhin gibt es zig Probleme die der freie Markt nicht lösen kann, wie z.B. die globale Erwärmung, Abrüstung von Nuklearwaffen, die Konsequenzen der Biogenetik, und vor allem das Patentrecht und geistiges Eigentum werden zunehmend zum Problem für den Kapitalismus.
Wer erfand das Internet ?
Auch ist der freie Markt nicht in der Lage, große visionäre Projekte voranzutreiben. Welches Unternehmen der Welt hätte Interesse daran, Geld in eine allgemein verfügbare Infrastruktur zu investieren, ohne dass dabei ein konkretes Produkt herauskommen würde? Schauen wir uns an, wer das Internet erfunden hat, so werden wir auf massive(!) staatliche Förderung und Universitäten stoßen, auch auf Opensource und sonstige unentgeltliche Freiwilligenarbeit und nicht so sehr auf profitgetriebene Entrepreneure. Die Geschichte des Internets ist übrigens auch mit dem des CERNs verwoben. So gilt der CERN sogar unangezweifelt als Geburtsort des World Wide Webs, was viele Internetuser überhaupt nicht wissen. Weiterhin sollte man sich erinnern, dass der CERN das World Wide Web von Anfang an zur freien Nutzung freigab, welche kommerzielle Firma hätte das wohl getan?
Steigen wir tiefer in die Geschichte des Internets ein:
Die Leute mit den Ideen, die das Internet nach und nach realisierten, waren vornehmlich Wissenschaftler, die ursprünglichen Geldgeber das Militär und die Universitäten. Es wurden zwar auch Firmen zum Aufbau des Internets hinzugezogen, diese arbeiteten jedoch stets im Auftrag der Regierung an klar vorgegebenen Problemen. Für IBM war das Internet 1968 noch eine unprofitable Spinnerei, weswegen es einen Auftrag der Regierung zu diesem Thema ablehnte. ( http://www.netplanet.org/geschichte/ )
Man muß also ganz klar sehen, dass durch das Internet vielleicht eine Menge Unternehmen entstanden, diese jedoch niemals das Internet aus eigenem Antrieb geschaffen hätten! Auch waren die ersten User nicht privat, sondern miteinander kommunizierende Universitäten und der Auftraggeber war der Staat. Das Internet wäre also genausowenig durch consumers-choice entstanden.
Im Gegenteil. Kaum entdeckte die Geschäftswelt das Internet, sorgten sie innerhalb weniger Jahre für die dot.com Blase.
Freiwilligkeit als Entwicklungsgarant
Man sollte an dieser Stelle auch die freiwillige Mitarbeit erwähnen, die all die Dinge wie Linux, Wikipedia und Bitcoin überhaupt möglich gemacht haben. Wieder hätten profitgetriebene Entrepreneuere sicherlich keinen opensource-code geschrieben, im Gegenteil, inzwischen müssen Informatiker sogar Verträge unterschreiben, dass sämtlicher Code den sie in ihrer Freizeit produzieren ihrem Arbeitgeber gehört.
Fassen wir also zusammen: Der freie Markt kann nicht in der Lage sein die Menschheit in ein neues Zeitalter zu bringen, weil er dafür viel zu risikoavers ist was Eigenkapital angeht und er auch schlicht und ergreifend nicht über die Organisationsfähigkeit verfügt, die ein solch gigantisches Projekt benötigen würde.
Auch nach Chomskys Propagandamodell führt die Verwebung von Wirtschaft und Wissenschaft automatisch zu einem Ende der kritischen Wissenschaft und zwar noch schneller wie es staatliche Eingriffe tun
( https://www.heise.de/tp/features/In-der-Kommunikationswissenschaft-ist-der-Kalte-Krieg-auch-heute-noch-nicht-zu-Ende-3772790.html )
Denn: Wissen ist kommunistisch: Wissen wird nicht weniger, wenn es frei ist.
Geheimgehaltenes Wissen und der Konkurrenzgedanke führen zum Beispiel dazu, dass die gleiche Forschung von jeder Firma immer wieder geleistet werden muß, auch stört der Profitgedanke die wissenschaftliche Qualität der Forschung.