Ich erlaube mir, den Vortrag hier auf Deutsch wiederzugeben, mit einigen Anmerkungen und Erklärungen natürlich.
Slavoj Zizek berichtet über einen recht aktuellen Film aus Slowenien, Klassenfeind, dem Heimatland des Philosophen.
Dadrin geht es um einen autoritären Deutschlehrer, dem vorgeworfen wird eine Schülerin in den Selbstmord getrieben zu haben. Die Schüler proben einen Aufstand gegen ihren Lehrer, der aber selbst immer autoritärere Züge annimmt. Zumindest fehlt ihnen jeder Beweis das es sich bei dem Lehrer tatsächlich um den Schuldigen hinter dem Selbstmord der Schülerin handelt. Es handelt sich also um eine Art Hexenjagd.
Schließlich kommt heraus, dass der Lehrer keinesfalls die Schülerin bedrängt hat, sondern ihr in einem Gespräch lediglich eröffnet hat, dass es ihr Leben ist und sie die alleinige Verantwortung dafür trage, was sie damit anstelle. Die Schülerin kam mit dieser Antwort offensichtlich nicht zurecht oder aber wählte bewußt den Selbstmord.
Zizek unterscheidet auf Basis dieses Filmes zwei Arten von Lehrern.
Die einen geben ihren Schülern ein System, hinter dem sie sich verstecken können.
Sie bezeichnen sich selbst als erleuchtet und geben ihren Schülern das Gefühl, dass sie nur tun müssen was der Lehrer sagt und es wird alles gut werden.
Die anderen aber konfrontieren den Schüler mit seiner Freiheit, die aber auch bedeutet sich nicht mehr länger hinter dem Lehrer oder einer anderen Autorität verstecken zu können.
Diese radikale Selbstverantwortung bedeutet nicht, dass man seine Umwelt beliebig formen kann. Zizek ist Materialist, er glaubt nicht an Hokuspokus oder irgendwelche metaphysischen Placebos. Nur weil ich meiner Selbstverantwortung bewußt bin, heißt das nicht, dass es mir gelingen wird, das Leben zu leben was ich gerne möchte, trivialerweise könnte das nötige Kleingeld fehlen.
Selbst verantwortlich ist also nicht ontologisch zu lesen, sondern rechtsphilosophisch. Es bedeutet, dass es keine zentrale Beschwerdestelle gibt, bei der ich am Ende meines Lebens ein Formular ausfüllen kann, wenn mein Leben anders verlaufen ist als ich es gern hätte und wo ich dann entsprechend ausgezahlt werde. Es bedeutet auch, dass niemand für mich meine Intressen durchsetzen wird, wenn ich es nicht selbst tue.
Diese Idee der Freiheit ist für Zizek eine zentrale politische Forderung. Zur Zeit gibt es in Europa 3 tragende gesellschaftliche Gruppen.
Konsumismus:
Man ist zufrieden mit den kleinen Freiheiten, die einem der Kapitalismus gewährt. Die Freiheit der Wahl beschränkt sich also auf die gesetzlich vorgeschriebenen Urlaubstage und wofür ich das Geld ausgebe, dass ich nicht brauche um die Lebenserhaltungskosten zu bezahlen. Ich kann die Internetseite ansurfen die ich will, ich kann auch den Fernsehkanal ändern, wenn mir das Programm nicht gefällt. Große Entscheidungen fälle ich lieber nicht, sondern überlasse sie den Experten. Oder ich berufe mich auf die Alernativlosigkeit meiner Umstände, ohne überhaupt zu prüfen, ob diese tatsächlich so alternativlos sind, wie sie auf den ersten Blick aussehen.
Rechtspopulismus:
Der Rechtspopulismus ist eine weitgehend irrationale und wissenschaftsfeindliche Bewegung, die versucht zu einem goldenen Zeitalter des Kapitalismus zu gelangen. Dieser wird in der Regel in der Vergangenheit vermutet und die Rechtspopulisten glauben dementsprechend an die Rückkehr zu alten bewährten Werten (oder was sie dafür halten) gepaart mit einem rücksichtslosen Nationalegoismus.
Sie sind dabei auch nicht gewillt, die von ihnen benutzten Schlagwörter mit irgendwelchen Theorien oder durchdachten Programmen zu untermauern. Trump hat es sogar geschafft mit offener Inkompetenz zu punkten. Kurioserweise sind diese Verteidiger Europas bzw. des Abendlandes also eigentlich Saboteure der Werte, die den Westen im Kern ausmachen, es handelt sich bei ihrer Aufklärung bestenfalls um eine vulgär-Aufklärung.
Pseudo-Linke:
Fukuyama rief in den 90ern das Ende der Geschichte aus. Viele der “Pseudo-linken”, wie Zizek sie nennt, haben sich mit dem Kapitalismus abgefunden und versuchen ihn mit kleinen Reförmchen ein menschliches Anlitz zu verleihen. Dies mißlingt zunehmend, trotz aller oberflächlicher Bemühungen für Rechte von Minderheiten, steigt der Druck durch den Kapitalismus auf den einzelnen zunehmend. Ein Blick auf die Zahlen genügt, Arbeitenehmerrechte werden zunehmend abgebaut, der Sozialstaat sowieso. Die “Pseudo-linken” sind nicht an ernsthafter politischer Arbeit intressiert, sondern vor allen Dingen an der Befriedigung ihres politisch korrekten Gewissens, also an symbolischen Taten, die kein wirkliches Gewicht haben. Statt echtem Arbeitskampf wollen sie sich also bloß als gute Menschen fühlen, es ist vielmehr eine Art Lifestyle, eine politische Vision fehlt vollkommen und viele ihrer Ideale wie Basisdemokratie funktionieren nicht richtig.
Die Linken sind dabei die eigentlichen Wächter der Moral, dies war schon immer ihre historische Aufgabe.
Wenn wir also keinen Kapitalismus mit asiatischen Werten wollen (das heißt eine Art Neofeudalismus!), muß sich die europäische Linke mal in Bewegung setzen und schnellstmöglich neue Konzepte ausarbeiten, sonst landen wir in einem neuen geistigen Mittelalter.
Soweit spricht Zizek.