In diesem Thread will ich verschiedene grundsätzliche Möglichkeiten ein bedingungsloses Grundeinkommen zu finanzieren miteinander vergleichen. Um die Angelegenheit zu vereinfachen, gehe ich von einer vollständigen Finanzierung durch die vorgestellte Maßnahme aus. Es geht darum die Vor- und Nachteile der grundsätzlichen Finanzierungsmethoden herauszustellen.
Grundsätzliches
Die ökonomische Ungleichheit ist momentan zu hoch, und sollte auf ein optimales Maß reduziert werden. Ein BGE ist ein sehr praktisches Werkzeug für Umverteilung von Reich nach Arm, und kann daher die Ungleichheit prinzipiell recht effektiv reduzieren. Je nach Finanzierungsmöglichkeit ist die Umverteilungswirkung aber entsprechend hoch bzw. gering ausgeprägt.
Abgesehen vom BGE gehe ich im Folgenden davon aus, dass der gesamte Bundeshaushalt als auch alle übrigen sozialen Sicherungssysteme durch den entsprechenden Finazierungsweg mitfinanziert werden. Das komplizierte Sozialversicherungssystem und das Doppelsystem aus Steuern und Abgaben würde damit wegfallen und durch ein einfacheres System ersetzt werden.
#1 Mehrwertsteuer
Wenn es nach Götz Werner ginge, würde nur der Konsum besteuert werden, aber nicht die Leistung von Individuen oder Unternehmen. Finanzielle Anreizhemmnisse einer Erwerbsarbeit (verstärkt) nachzugehen würden damit komplett wegfallen. Unternehmner würden keine Steuern mehr zahlen, auch keine Lohnsteuern, und würden damit stark begünstigt werden. Die differenzielle Begünstigung von Großunternehmen würde damit aber auch wegfallen, was den Markt etwas freier machen würde.
Reiche geben einen prozentual gerineren Anteil für Konsumgüter aus als ärmere Menschen. Ohne BGE ist die Mehrwertsteuer damit also effektiv regressiv. Eine effektive Steuerprogression wird aber durch Umverteilungswirkung des BGE hergestellt: Geringverdiener zahlen im Endeffekt so etwas wie eine negative Einkommenssteuer, weil sie mehr vom Staat bekommen als sie an Steuern zahlen. Dennoch ist die Umverteilungswirkung durch die Mehrwertsteuer im Vergleich zu anderen Finanzierungsarten relativ schwach.
Ein pragmatischer Vorteil der Mehrwertsteuer ist, dass diese keine Leistungshemmnisse herstellt (dafür allerdings eventuell Handelshemmnisse), und daher auch in einer globalisierten Welt recht einfach innerhalb von Nationalstaaten eingeführt werden kann, ohne dass diese dadurch Nachteile fürchten müssten. Im Gegenteil: Unternehmen würden sich wahrscheinlich auf die Nationen setzen, die ein durch eine Mehrwertsteuer finanziertes BGE haben.
Vorteile:
- Keine Leistungshemmnisse
- Unproblematische Einführung auf nationaler Ebene
- Sehr geringer bürokratischer Aufwand
Nachteile:
- Umverteilungswirkung relativ schwach
- Erzeugt eventuell Handelshemmnisse
- Unternehmen würden im Vergleich zu Privatperonen überproportional begünstigt werden
- Schafft Anreize für Schwarzmärkte, welche die Mehrwertsteuer umgehen
#2 Flat tax
Ein Einheitssteuersatz von etwa 50% für alle würde für die Finanzierung von BGE und Bundeshaushalt ausreichen. Steuerliche Absetzmöglichkeiten würden komplett wegfallen. Das Steuersystem wäre damit extem vereinfacht und Steuerberater würden von der Arbeit vollständig freigestellt werden. Jeder zahlt einfach denselben Steuersatz, egal um welche Einkommensarten es geht und wie viel Geld verdient wird. Unternehmen würden denselben Steuersatz auf Unternehmensprofite zahlen wie Einzelpersonen für Erwerbsarbeit.
Problematisch sind aber vor allem folgende Punke: Zum einen macht die hohe Steuerbelastung Einkommensqellen abgesehen von BGE relativ unattraktiv, insbesondere solche, welche viel Zeit und Energie in Anspruch nehmen. Zum anderen ist eine Finanzierung durch Einkommenssteuern im Zeitalter zunehmender Automatisierung zumindest fragwürdig. Zuletzt wären Unternehmen auch versucht ihre Produktion in andere Länder zu verlagern, da die Lohnkosten und die Steuerbelastung relativ hoch wären.
Vorteile:
- Extrem einfaches Steuersystem mit sehr geringer Bürokratie
- Unternehmen würden auch deutlich zur Kasse geben werden
Nachteile:
- Leistungshemmnisse durch hohe Besteuerung von Leistung
- Untgernehmen hätten hohe Anreize ihre Produktion ins Ausland zu verlagern
- Ist eventuell nicht zeitgemäß in einer Welt, die zunehmend von technologischer Arbeitslosigkeit geprägt sein wird
- Schafft Anreize für Schwarzarbeit, auf die keine Steuern bezahlt wird
#3 Vermögenssteuer
Statt Geldflüsse (Ausgaben oder Einkommen) zu besteuern, könnte man alternativ einfach nur größere Vermögen besteuern. Damit würden allein die oberen Schichten zur Finanzierung von BGE und Staatshaushalt beitragen, während die unteren Schichten komplett entlastet werden würden. Die Umverteilungswirkung wäre damit wohl ziemlich maximal. Allerdings müsste die Vermögenssteuer sehr hoch sein, um wirklich ein existenzsicherndes Grundeinkommen, sowie den kompletten Staatshaushalt finanzieren zu können.
Ein grundsätzliches Problem bei der Vermögenssteuer besteht darin die Vermögen aller Haushalte überhaupt zu erfassen. Dies ist durchaus mit großen theoretischen und praktischen Schwierigkeiten verbunden: Welchen Wert hat der Besitz einer Person überhaupt? Wie kann man diesen Besitz überhaupt vollständig erfassen? Zwar sind diese Probleme mehr oder weniger lösbar, aber der notwendige bürokratische Aufwand wäre wohl enorm.
Vorteile:
- Maximale Umverteilungswirkung
- Keine Leistungshemmnisse für Geringverdiener, und Menschen, die nur konsumieren anstatt zu sparen
Nachteile:
- Sparen wird prinzipiell erschwert und bestraft
- Die Oberschicht ist relativ gut darin ihr Vermögen effektiv zu verstecken, wordurch die Finanzierungssicherheit prinzipiell gefährtet ist
- Vermögende hätten einen hohen Anreiz auszuwandern
- Hoher bürokratischer Aufwand
#4 Landwertsteuer
Die Landwertsteuer ist eine Steuer, die lediglich auf den Wert von Grundstücken an sich (ohne darauf befindliche Bauwerke) erhoben wird. Menschen ohne Grundbesitz wären daher von einer direkten Besteuerung ausgeschlossen. Ähnlich zur Vermögenssteuer werden durch eine Landwertsteuer vor allem die oberen Schichten zur Kasse gebeten. Es ist allerdings viel einfacher Land konsequent zu besteuern als Vermögen im Allgemeinen. Dieser Art von Steuer kann sich außerdem kaum jemand effektiv entziehen.
Interessanterweise sind viele Ökonomen der Ansicht, dass eine Landwertsteuer ideale Anreize schafft. Leistung wird nicht besteuert. Im Gegenteil: Die optimale Nutzung von Land und Resourcen wird gefördert.
Vorteile
- Gute Umverteilungswirkung
- Optimale ökonomische Anreizsituation
- Möglichkeiten von Steuerhinterziehung sind minimal
- Kann gut lokal eingeführt werden
Nachteile
- Führt möglicherweise zur Erhöhung von Mietpreisen
- Das Konzept der Landwertsteuer ist momentan noch sehr unbekannt, vor allem im deutschsprachigen Raum
#5 Finanztransaktionssteuer
Eine Steuer auf Finanztransaktionen (“Tobin tax”) würde überflüssige Finanzspekulationen eindämmen und könnte auch als Grundlage für ein bedingungsloses Grundeinkommen dienen. Natürlich würde eine solche Steuer die Anzahl von Finanztransaktionen reduzieren, weswegen man die letztendlichen Einkommen durch diese Form der Steuer nicht am derzeitigen Umfang der Finanztransaktionen festmachen kann.
Sinnvollerweise sollte eine Finanztransaktionssteuer global eingeführt werden, da ansonsten die Finanzspekulation auf die Länder verlagert wird, in denen es keine solche Steuer gibt. Das ist natürlich schwer umzusetzen, obwohl eine Finzanztransaktionssteuer generell als sehr wünschenswert angesehen wird.
Interessanterweise besitzen viele Kryptowährungen quasi systembedingt schon eine Finanztransaktionssteuer. Würde die Welt zunehmend Kryptowährungen benutzen, könnte damit durchaus ein globales BGE zumindest auf niedriger Ebene finanziert werden.
Vorteile
- Vermindert destabilisierende Finanzspekulation
- Nur minimale Besteuerung von Leistung
- In Kryptowährungen relativ leicht einführbar
Nachteile
- Nur global effektiv einführbar
- Schafft tendenziell Anreize Geld eher zu horten anstatt es sinnvoll auszugeben
#6 Direkte Gelderzeugung durch Grundeinkommen
Als Möglichkeit ein BGE einzuführen scheinbar ohne irgendjemanden zu besteuern, könnte man das Geldsystem so umgestalten, dass Banken kein Geld mehr schöpfen können, sondern dass das Geld direkt und zunächst an die Einwohner ausgezahlt wird. Dieser Ansatz führt im Gegensatz zu anderen Finanzierungsmöglichketien tatsächlich zu Inflation, und man müsste das ausgezahlte Grundeinkommen immer weiter erhöhen.
Alternativ könnte man eine Umlaufsicherung einführen, also eine Art Steuer auf Geldbesitz. Das ist allerdings schwierig umzusetzen, da die Menschen dann sehr versucht wären auf andere Währungen umzusteigen.
Zudem würde die effektive Finanzierung des Werts des BGE durch eine Umlaufsicherung oder auch Inflationsausgleich vor allem die Mittelschicht treffen. Die oberen Schichten legen ihr Vermögen eher nicht in Geld an und würden sich damit wenig an der Finanzierung beteiligen.
Vorteile
- Leistung wird nicht besteuert
- Keine Besteuerungsbürokratie notwendig
Nachteile
- Umverteilung ist ziemlich problematisch
- Die Umstellung des Geldsystems ist sehr schwer umzusetzen
- Die BGE Währung wird durch hohe Inflation bzw. Umlaufsicherung unattraktiv, möglicherweise sogar wertlos
Fazit
Die geringsten grundsätzlichen Nachteile sind bei der Landwertsteuer und der Finanztransaktionssteuer gegeben. Daher halte ich die Finanzierung durch diese Modelle für prinzipiell ideal. Während eine Landwertsteuer lokale Grundeinkommen finanzieren kann, würde die Finaztransaktionssteuer ein globales BGE möglich machen, und damit auch die globale Ungleichheit reduzieren. Leider sind diese beiden Steuerarten politisch sehr schwer umzusetzen.
Als Zwischenlösung wäre eine Finanzierung durch Mehrwertsteuer und/oder Flat Tax akzeptabel, da diese Finanzierungsart unserem derzeitigen Steuersystem relativ nahe kommt, und keine großen Umstellungen erfordert.