Politik kann man nicht so einfach boykottieren. Effektiv besteht der einzige Weg dies zu tun, im Auswandern in ein anderes Land. Das ist aber sehr kostspielig. Was bleibt einem sonst übrig, wenn Wahlen nichts mehr zu bringen scheinen, weil alle Parteien eine unheilvolle Politik mitziehen? Nur noch ziviler Ungehorsam und Demonstrationen. Diese Schlussfolgerung ist zwangsläufig. Die extreme Politik der Covid-19 Lockdowns in praktisch allen Staaten hatte entsprechend fast zwangsläufig Demonstrationen zur Folge. Das Recht diese Demonstrationen in Deutschland überhaupt anmelden zu dürfen, mussten sich die Organisatoren aber erst auf dem Rechtsweg erkämpfen! Mit anderen Worten: Ohne diejenigen, die sich dafür eingesetzt haben, die Demonstrationen zu legalisieren, wären wir bereits in einer Diktatur!
Vom Nutzen der Demonstrationen
Sind Demonstrationen sinnvoll? Ja, denn sie signalisieren dass gewisse politische Maßnahmen extrem unpopulär sind. Das wird die entsprechenden Politiker dazu motivieren entsprechende Maßnahmen nicht mehr zu machen, weil sie sonst abgewählt werden, oder schlimmeres. Selbst wenn alle bisherigen Parteien derartige Maßnahmen mitziehen, hat das Auswirkungen: Es stärkt neuen Parteien den Rücken, die versprechen auf die unpopulären Maßnahmen zu verzichten.
Würde sich zum Beispiel die SPD oder die AfD derartig positionieren, dass sie geschlossen den Lockdown ablehnen, würden diese umso mehr Zulauf bekommen, je mehr Demonstranten gegen den Lockdown auf die Straße gehen. Wenn sich keine aktuelle Partei diesbezüglich positioniert, erschafft das starke Anreize zur Gründung neuer Parteien, weil in diesem Fall auch tatsächlich die Chance besteht, dass diese Parteien gewählt werden.
Mein Erfahrungsbericht über die Demo am 1.8.
Ich habe mich sehr kurzfristig dazu entschlossen zur Demo zu fahren. Entsprechend musste ich mir ein recht teures Bahnticket besorgen. Für die Übernachtung und die Rückfahrt habe ich mich mit einem Teilnehmer einer früheren Demo in Stuttgart absprechen können (Hinfahrt war logistisch nicht machbar).
Mit meinem Chef habe ich abmachen können, dass ich an dem Freitag vor der Demonstration nur bis 12 Uhr arbeite. Danach habe ich mir um 13 Uhr einen Zug nach Stuttgart genommen und bin dann mit 2 ICE Fahrten um kurz vor 20 Uhr in Berlin angekommen. Für die Übernachtung von Freitag auf Samstag habe ich mir ein günstiges AirBnB ausgesucht, was zum Glück auch kurzfristig geklappt hat. In einem Supermarkt um die Ecke gab es noch Corona Extra Bier. Davon habe ich mir dann eins genehmigt.
Am Samstag bin ich dann zum Brandenburger Tor aufgebrochen. Im Zug hatte ich noch eine Maske an. Das Busticket habe ich mir tatsächlich per App online gekauft. Kontrolliert eigentlich niemand, aber ich habe das als Spende für die Busunternehmen verstanden, die trotz Pandemie überhaupt noch operieren.
Als ich kurz nach 10:30 Uhr am Brandenburger Tor angekommen bin, hat die Polizei schon eine Absperrung errichtet, um die Masse davon abzuhalten zum Platz Unter den Linden zu strömen. Das haben sich viele nicht gefallen lassen und sind durch die Absperrung durchgeschlüpft. Es waren zu wenig Polizisten da, um diese davon abzuhalten. Dieser Gruppe habe ich mich dann schnell angeschlossen. So kann ziviler Ungehorsam auch aussehen.
Waren auf dem Platz viele Menschen? Ja, schon…
Ich bin langsam den Platz vom Brandenburger Tor weg gegangen. Langsam, weil es stellenweise schwer war durch die Menschenmenge zu kommen. An Social Distancing war da nicht zu denken. Mich selbst hat es etwas verwundert, dass so gut wie niemand eine Maske getragen hat. Wenn man sich aber überlegt, dass sich bei Demonstrationen so gut wie niemand infiziert, war dies aus gesundheitlicher Sicht auch vernünftig, denn es war sehr heiß, und die Polizei hat die Menge teilweise kreuz und quer durch die Stadt umgeleitet, aber dazu später mehr.
Um ca. 12 Uhr hat sich der Menschenzug dann angefangen mit wahrnehmbarer Geschwindigkeit vorwärts zu bewegen. In der Zwischenzeit habe ich mit einer kleinen Gruppe gesprochen, die sich als Anhänger von QAnon zu erkennen gegeben haben.
Am Straßenrand waren stellenweise Plakate wie dieses hier:
Als der Demozug am Büro des ZDF vorbeimarschiert ist, war dort stets der Ruf “Lügenpresse!” zu vernehmen. Das Büro selber wurde von einigen Polizisten geschützt. Von der Masse hätten diese Polizisten ohne Probleme überwältigt werden können, genau wie an praktisch allen anderen Stellen der Demonstration, aber die Demonstranten waren so friedlich, dass praktisch nichts passiert ist.
Wir waren Stunden unterwegs. Da ich kein Wasser mitgenommen habe (in meinem Rucksack war dafür kein Platz mehr), war ich unterwegs einkaufen. Von den Demonstranten war praktisch niemand mit Maske in den Geschäften gewesen. Die Reaktion des Personals war gemischt. Aber der Umsatz muss sicher enorm gewesen sein. Manche Geschäfte sahen schon teilweise ausverkauft aus. Meine Hauptverpflegung war ein großes Stück Käse und ein Liter Kokosmilch. Später dann noch ein großer Cappuchino mit Sojamilch von Starbucks. Von den Kunden ohne Maske wurde fast niemand darauf angesprochen. Zum Teil kam dies vor, aber auch da waren die Reaktionen gemischt. An dem Tag ist glaube vielen die Lust am Diskutieren vergangen.
An zwei Stellen habe ich Gegendemonstraten gesehen, teilweise (bezahlte?) Antifa, aber auch andere Menschen. Diese wuden von den Hauptdemonstranten abwechselnd mit “Nazis raus!” und “Schließt euch an!” angeschrien. Lustigerweise gab es auf beiden Seiten der Demo viele Regenbogenfahnen.
In der Nähe vom Reichstag wollten einige Demonstranten die Stecke abkürzen und direkt um den Reichstag herum zur Straße des 17. Juni laufen wo die Hauptkundgebung war. Die Polizei hat die Straße aber abgesperrt. Manche kamen durch, andere nicht. Aus welchen Gründen auch immer. Ich habe es da nicht durch geschafft und bin einen längeren Weg gegangen. Dort hat es sich doch merkbar gestaut, vor allem dort wo die Staßen und Wege etwas schmäler geworden sind. Die Hauptstrecke scheint dies wohl nicht gewesen zu sein.
Es hat dann einige Zeit gedauert bis ich in der Nähe des großen Tiergartens war. Dieser war dann auch schon von der Polizei abgesperrt. Ich wurde dann von der Polizei dann noch mehrere Male umgeleitet, zurück zum Platz Unter den Linden (dort war ich dann auch im Starbucks). Das Brandenburger Tor war dann interessanterweise nicht mehr gesperrt, also bin ich dort durch in Richtung Straße des 17. Juni. Dort gab es eine große Absperrung von der Polizei. Wir wurden nach links und rechts umgelenkt. Ich habe viele Leute gesehen, die durch Waldwege auf den großen Tiergarten geströmt sind. Die meisten dieser Wege waren aber auch schon von der Polizei gesperrt worden. Durch einen unscheinbaren nicht gesperrten Weg habe ich es dann letztendlich auch dort rein geschafft.
Endlich war ich unter den Bäumen. Da die Sonne an diesem Tag ununterbrochen geschienen hat, war ich schon sehr erleichtert. Ohne Sonnencreme hätte ich mir dort fiese Sonnenbrände geholt. Dort haben auch viele andere Menschen Schatten und Ruhe gesucht. Dummerweise bin ich erst um 16:35 angekommen, gerade dann als die Polizei die Demonstration für beendet erklärt hat.
Die Demonstraten sind trotzdem keinen Schritt gewichen und die Straße des 17. Juni war sehr voll, vor allem am Rand unter dem Schatten der Bäume.
Das Areal zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule war voll mit Demonstranten (bin nicht den ganzen Weg bis zur Siegessäule abgegangen, also muss ich mich bei dieser Aussage auf das Wort anderer Teilnehmer verlassen). Nach der Verlautbarung der Auflösung durch die Polizei rief die Masse
- “Widerstand!”
- “Wir bleiben hier!”
- “Wir sind das Volk!”
Die Polizei konnte das Gelände unmöglich räumen. Viele Demonstranten haben sich auf der Straße hingesetzt. Einige wenige wurden trotzdem unter großen Anstrengungen abgeführt, aber davon habe ich selber nichts mitbekommen.
Während die Masse auf der Straße geblieben ist, ist Thorsten Schulte etwa um 17:40 Uhr ca. 1 Meter an mir vorbei gelaufen und hat die Demonstranten zu einer spontan angemeldeten Kundgebung vor dem Reichstag mitgenommen. Dort haben es einige Tausende hin geschafft, allerdings sind viele davon schnell wieder gegangen als denen klar geworden ist, dass dort bereits eine Veranstaltung stattgefunden hat, die von “Reichsbürgern” dominiert wurde. Als Thorsten Schulte das mitbekommen hat, hat er die Masse zum Kanzleramt umgeleitet, wo eine Menschenkette gebildet wurde. Davon habe ich persönlich aber nichts gemerkt. Ich habe vor dem Reichstag abgewartet, ob Thorsten Schulte dort auftaucht. Er wurde von den Organisatoren dort vermisst. Die Redner dort wollten auch mit der Polizeipräsidentin von Berlin verhandeln, vor Ort, aber diese ist der Kundgebung ferngeblieben.
Die Reden der “Reichsbürger” waren sehr “verschwörungslastig” und populistisch. Selbst wenn sie mit den Verschwörungen Recht gehabt hätten und den Reichstag gestürmt hätten, wäre da wohl nichts Gutes daraus erwachsen. Politische Sachkompetenz war dort geführt nicht unbedingt vorhanden. Abgesehen davon war der gesellschaftliche Rückhalt auch nicht besonders groß. Nach etwa einer Stunde waren nur noch Hunderte Demonstanten auf dem Park vor dem Reichstag.
Um ca. 20 Uhr habe ich den Platz dann auch verlassen, um mir endlich mal etwas mehr zu Trinken zu besorgen und dann die Leute zu treffen, mit denen ich mich dort verabredet hatte. Nach einer kurzen Odyssee durch Berlin habe ich diese dann auch getroffen und noch ein paar Bier mit denen getrunken. Scheinbar gab es ein Missverständnis und meine Unterkunft war doch nicht arrangiert. Ich konnte mir aber dennoch ein Zimmer im selben Hotel buchen.
Am nächsten Tag habe ich dann mit dieser Gruppe nach Hause zurückfahren können.
Fazit
Während der Demonstration war es schwer die Anzahl der Teilnehmer zu schätzen. Das ganze Areal war sehr eben, so dass man kaum eine Chance hatte die Demo von einer erhöhten Position zu fotografieren. Zwar hatte die Polizei einen Hubschrauber zur Zählung der Teilnehmerzahl, aber wenn diese keine vertrauenswürdigen Zahlen herausgibt (17000 an die Mainstreammedien und 500 000, dann 800 000, und schließlich 1 300 000 an die Organisatoren der Demonstration), dann bringt das leider nicht sehr viel. Meine eigene Einschätzung geht in Richtung ca. 100 000 - 200 000.
Bemerkenswert war die friedliche Atmosphäre, in der man den Wind der Befreiung spüren konnte. Der beste Vergleich wäre wohl der zum Fall der Mauer. Allerdings gab es keine Mauer zum Einreißen. Gewalt oder Schäden an Sachen oder Personen habe ich nicht sehen können. Aber die Welt weiß jetzt wenigstens, dass wir viele sind.